Meditationen


 

Auf dieser Seite finden sich einige kurze Fragmente, in denen Dr. Evilman Schlonk seine Gedanken zu ausgewählten Arbeiten notiert hat.

 

Dr. Schlonk, Jahrgang 1928, kam in Doaktown in der kanadischen Provinz New Brunswick zur Welt und studierte von 1947 bis 1951 an der Universität von Hedemarken in Norwegen Skandinavistik und Literaturwissenschaft.

1952 promovierte er bei Professor Dr. Bruno Franzius an der Humboldt-Universität in Berlin (Ost).

 

Dr. Schlonk lebt und arbeitet seit 1954 als freier Publizist in Stirpe-Ölingen bei Osnabrück.

 

 

 

 

 

 

Meditation über Volker Schildmanns „ Dr. Käßmann und Dr. Luther gucken Derrick“

von Dr. Evilman Schlonk

 

 

Diese kleine Skulptur eröffnet uns, da sie sich im Grunde von selbst erklärt, die Gelegenheit, einige grundsätzliche Überlegungen zum Verhältnis des Kunstwerks zu seinem Titel sowie zum Wesen des Zitats in der postmodernen Kunst anzustellen.

 

 

Im Grunde erfüllen beide Elemente natürlich dieselbe Funktion, sie sollen der Arbeit einen über sich selbst hinausreichenden Bedeutungsraum erschließen.

 

In diesem Sinne ist auch die Neigung des Bildhauers zur Darstellung prominenter Persönlichkeiten zu verstehen.

 

Es geht hier nicht, wie dies im klassischen Portrait der Fall sein mag, um die subtile Charakterisierung des Gekonterfeiten durch den empfindsamen Künstler, sondern darum, möglichst vielen Betrachtern einen Anknüpfungspunkt zu bieten, der ihnen eine Integration des Werks in die eigene wirre Gedankenwelt erleichtert.

 

Daher ist es mit der gebotenen Großzügigkeit auch wohl verzeihlich, obzwar durchaus ärgerlich und enttäuschend vom ästhetischen Standpunkt aus gesehen - den wir bei diesen Arbeiten, wenn wir gleich bei unseren Betrachtungen zumeist die Bedeutungsebene im Fokus haben, nie vernachlässigen dürfen - sollte sich die Ähnlichkeit bei der einen oder anderen Figur womöglich erst unter Zuhilfenahme des Titels erschließen.

 

Im vorliegenden Beispiel wird darüber hinaus sogar durch die Erwähnung des ausgewählten Fernsehprogramms auf rein literarische Weise im Betrachter oder Leser eine innere Vorstellung erzeugt, die in der Figur selbst keinerlei Rückhalt erfährt.

 

Dieses sich hier andeutende Spannungsverhältnis von Form und Sinn ist vielleicht das charakteristischste Merkmal der Arbeiten dieses Künstlers und es gab Zeiten in der Kunstgeschichte, da ein solches Vermischen oder gar Nebeneinander bildhauerischer und literarischer Mittel als unverzeihliche Schwäche gegolten hätte,

 

Nun – das war vorgestern. Seither hat sich vieles verändert und seit die Künstler der Postmoderne mit dem auf Paul Feyerabend zurückgehenden Schlachtruf „anything goes“ auf den Lippen die Einteilung in die traditionellen Disziplinen – im wesentlichen Literatur, Musik, darstellende und bildende Kunst mit den Unterdisziplinen Malerei und Bildhauerei, wie man sie bis Duchamp relativ sauber unterscheiden kann – endgültig über Bord geworfen haben, gelten die Arbeiten Volker Schildmanns dem einen oder anderen schon wieder als allzu klassisch bildhauerisch. Und da schon eine ziemlich konservative Institution wie das Nobelpreiskomitee keine Bedenken zeigte, Bob Dylan den Literaturpreis für seine grandiosen Songtexte zu verleihen, scheint mir die Vorstellung keineswegs verstiegen, daß in nicht sehr ferner Zukunft ein Bildhauer für seine lyrischen Titel mit dieser Auszeichnung die verdiente Würdigung erfahren könnte.

 

 

 

Freilich sind sind die oben genannten Stilmittel keineswegs völlig neue Erscheinungen. Titel hatten immer die Funktion, die Anbindung an andere - fiktionale oder tatsächliche - Realitäten deutlich zu machen; Zitate schaffen immer intertextuelle Bezüge (was sonst?) und hat es je ein Künstler auf genialere Weise verstanden, auf kleinstem Raum einen ganzen Kosmos zu öffnen, als Conrad Ferdinand Meyer, der in seinem wunderbaren Gedicht vom Marmorknaben durch die beiläufige Nennung zweier Namen geradezu parasitär an Shakespeares Drama Romeo und Julia andockt und sein kurzes Gedicht gleich einem Zeck mit Bedeutung auflädt, die dem Kulturbanausen, der das Werk tatsächlich nicht einmal vom Hörensagen kennen sollte, nicht erschließbar wäre?

 

 

Nebenbei bemerkt hat bekanntlich auch Shakespeare die Geschichte nicht selbst erfunden,sondern er greift seinerseits auf ältere Vorbilder zurück.

Und da liegts: Der postmoderne Künstler hat, inspiriert durch Theoretiker wie etwa Jacques Derrida mit seiner Erkenntnis, daß Zeichen sich immer nur auf andere Zeichen beziehen und die Welt als ein einziger Text zu betrachten ist, ein mal mehr, mal weniger naives Bewußtsein entwickelt, sich wie die Spinne im Netz in einem großen Gewebe von Kulturäußerungen zu bewegen und sich von überall bedienend sein eigenes Artefizium montageartig zusammenzusetzen.

Er tut also das, was Künstler im Grunde immer getan haben, aber nun mit der Begeisterung der Bewußtheit und daher ungeniert und exzessiv.Dieses pantextistische Lebensgefühl gewinnt seine Attraktivität für den Schaffenden in erster Linie dadurch, daß es ihn vom unbedingten Neuerungsgebot befreit, das die klassische Moderne aufgestellt und das die modernistische Kunst längst in die Sackgasse geführt hatte.

 

Durch den Rückgriff auf alte Formen hat sich die Kunst die gesamte Fülle der Ausdrucksmöglichkeiten wie unter anderem auch längst aufgegebene Qualitäten wie Schönheit oder Sinnlichkeit zurückerobert, bezahlt dies allerdings mit einem Verlust an behaupteter Originalität und gesellschaftlichem Anspruch. Das Heilsversprechen, das ihr seit der Renaissance, besonders in der Romantik, bis in die Moderne hinein zeitweise einen quasi religiösen Ernst verliehen hatte, läßt sich vom Kunstmonteur natürlich nicht aufrecht erhalten. Der muß bei der Arbeit jederzeit bewußt vorgehen und ist daher zur Ironie verpflichtet.

 

Dies gilt zugegebenermaßen für das romantische Genie auch schon, allerdings unterscheidet sich dessen Bewußtsein. Ich habe zu diesem Thema in den Betrachtungen zur Arbeit „Frau Allegoria laborans“ einige unzusammenhängende Gedanken geäußert und möchte an dieser Stelle darauf verweisen.

 

Man kann letztlich konstatieren, die Kunst befindet sich ihrem Anspruch nach auf dem Rückzug, allein sie erholt sich qualitativ.

 


Meditation über Volker Schildmanns „Jürgen Habermas singt den Lohengrin in einer mittelmäßigen Inszenierung und beherrscht das zu wonnigster Rührung hingerissene Publikum nach Belieben“

von Dr. Evilman Schlonk

 

 

 

 

 

Diese kleine Figur bietet einen schönen Anlaß, einige grundsätzliche Überlegungen zur Genrebestimmung des Werkes von Volker Schildmann anzustellen.

 

Hin und wieder werden diese Arbeiten in einen Zusammenhang mit Satire, Karikatur usw. gestellt. Diese Sichtweise erscheint mir nicht völlig falsch, aber doch auch keineswegs richtig und erschöpfend.

 

Nicht ganz falsch, da tatsächlich häufig Figuren der Geschichte und des öffentlichen Lebens gezeigt und in einen unerwarteten Zusammenhang gestellt werden, was dann bisweilen erheiternd wirken mag. Die Darstellung selbst ist allerdings

nicht karikaturartig verzerrt, sondern folgt dem naiven Realismus, den wir vom Künstler gewohnt sind: so ungefähr könnte der mittlerweile ja auch schon hochbetagte Jürgen Habermas aussehen.

 

Was hier zudem völlig fehlt und was wir bei der Satire doch nachgerade erwarten würden, ist die gedankliche Schärfe, mit der irgendeine Haltung zum Ausdruck gebracht wird.

 

Hierüber könnten wir allenfalls Vermutungen anstellen, wenn wir bedenken, daß es sich bei dem Dargestellten um einen der schärfsten Kritiker der Strukturalisten und Poststrukturalisten handelt, jener Kirchenväter und Säulenheiligen der meisten postmodernen Künstler. Eine wirkliche Stringenz, eine klar nachvollziehbare Aussage läßt sich jedoch kaum ausmachen, alles verbleibt im lyrischen Ungefähr.

 

Wollte man etwa in der bühnengerechten Zusammenziehung des den Kahn ziehenden Schwans zum Schwahn eine gegen Habermas stichelnde Anspielung auf Derridas Differance-Begriff erblicken , könnte man sich rasch dem Verdacht der Überinterpretation aussetzen.

 

Meiner Ansicht nach haben wir es hier vielmehr mit dem mittlerweile altbewährten Bildfindungsprogramm zu tun, das der Gestaltung der Figur einen witzigen Vorwand liefern soll. Ein eigentlich verbrauchtes Motiv – Lohengrin mit dem Schwan – wird zitiert und durch Montagetechnik in einen neuen, überraschenden Sinnzusammenhang gestellt.Hier haben wir es, da es sich offensichtlich um das Zitat des im 19. Jahrhundert einige Zeit sehr beliebten Motivs „Ludwig II. Als Lohengrin“ handelt, sogar mit einer Montage 2. Ordnung zu tun, was die Sache natürlich noch veredelt.

 

In das übernommene Gerüst werden nun also einige möglichst absurde und widersprüchliche Elemente einmontiert, etwa der Philosoph, den man bislang eher nicht als Sänger oder wenigstens wie Ludwig den II. als Wagnerverehrer wahrgenommen hat, die dem modernen Regietheater – ob als Kritik oder Eloge bleibt offen – abgeschaute Nacktheit des strahlenden Helden, die dem Titel zu entnehmende Beherrschung des Publikums im Widerspruch zum berühmten Konzept des herrschaftsfreien Dialogs, usw. .

Auf diese Weise entsteht ein Werk, das auf den ersten Blick als einheitliches Artefakt von gewisser – natürlich je nach Geschmack und Anspruch – Gefälligkeit daherkommt, bei genauerer Betrachtung jedoch auf der Inhaltsebene in viele Teile zerfällt und uns einlädt, dieselben zu einem Sinnganzen zusammenzufügen oder aber uns ganz im allgemeinen Gedanken zu machen, etwa über die Konstruktion von Wirklichkeit und Sinn in unseren Köpfen oder was auch immer.

 

Antworten auf solche Fragen gibt uns das Kunstwerk natürlich wie üblich nicht.

 

 

 

Damit es niemandem durchrutscht, möchte ich abschließend noch auf die im vorliegenden Falle besonders raffinierte Verwendung des postmodernen Zitats hinweisen. Einige allgemeinere Bemerkungen zu Wesen, Bedeutung und Funktion desselben habe ich in der Besprechung des Werkes „Dr. Käßmann und Dr. Luther gucken Derrick“ untergebracht.

 

Man beachte, daß nicht allein wie angesprochen in der Figur selbst zitiert wird, nämlich Lohengrin, Ludwig II. als derselbe, sowie Jürgen Habermas, dessen Auftauchen als Figur der Zeitgeschichte vielleicht eher als Zitat denn als Portrait zu klassifizieren ist, sondern auch im Titel, der nicht nur die Namen der Beteiligten nennt, sondern mit dem Hinweis auf das Beherrschen des Publikums auch auf das Konzept des herrschaftsfreien Dialogs anspielt, für das der Philosoph berühmt ist, wie auch auf jene weit verbreitete, wenngleich völlig irrsinnige Theorie, derzufolge Wagners Musik den Zuhörer durch Überrumpelung dermaßen in Bann ziehe, daß er augenblicklich zu faschistischen Anschauungen verführt werde.

 

Wenn zuletzt der Sänger das Publikum „ zu wonnigster Rührung hinreiß(t)“, so erfüllt er damit, wie den meisten bekannt ist, wortgetreu den Wunsch, den der Komponist seinem alten Freund Louis Schindelmeisser gegenüber bezüglich der Wirkung dieser Figur brieflich geäußert hat.

 

So sehen wir, daß nahezu nichts an diesem Werk als originär gelten kann, alles ist Stückwerk.

 


Meditation über Volker Schildmanns "Frau Allegoria laborans"

von Dr. Evilman Schlonk

 

 

Diese kleine Figur bietet, da sie schnell erklärt ist, die Gelegenheit, einen kurzen Exkurs über Romantik, Postmoderne, Ironie und das gute Leben einzuflechten.

 

Wir sehen hier eine gebückte weibliche Figur, die einen Schädelknochen in der Hand hält, den sie offenbar einem am Boden liegenden Füllhorn entnommen hat.Diesem entkollern verschiedene symbolträchtige Accessoires wie Waage, Stundenglas, Pfeilköcher etc.. Der Titel, der wie immer nichts im Dunkeln läßt, verrät uns, daß es sich hier um die Allegorie bei der Arbeit handeln soll, die wohl ein passendes Attribut für ihren nächsten Auftritt auswählt.

 

Wir haben also vor uns die Allegorie der Allegorie, wieder einmal, wie so oft bei diesem Bildhauer, das Drehen an der Ironieschraube, die noch eine weitere Vierteldrehung durch ein kleines Detail erfährt, daß nämlich unter den Arbeitsmaterialien der Frau Allegorie sich auch ein kleines Füllhorn findet, mit dem sie die Allegorie der Allegorie allegorisch darzustellen vermag.

 

Sicherlich ist dieses Vorgehen keine ganz neue Erfindung, schon die Romantiker hatten eine Vorliebe für diese unendlichen Ironiespiele, man denke etwa an Komödien von Tieck oder Grabbe, und schon der junge Friedrich Schlegel hat als brillanter Theoretiker den Ironiebegriff ausweitend definiert als den ständigen Abstand des Künstlers zu seinem Werk, das in sich auch immer seine eigene Entstehung thematisiert. Doch auch Schlegel hat bereits erkannt, daß der Eintritt in ein solches Denken keinen Ausweg mehr frei läßt und immer nur eine neue Stufe der Ironie betreten werden kann, eine erneute Betrachtung von außen nötig wird.

 

Diese Vorhersage hat sich gerade in unserer nachmodernen Zeit, die jahrzehntelang eine besondere Lust an solchen Praktiken gezeigt hat, bestätigt.

 

Seit nun wohl schon annähernd zwanzig Jahren jedoch werden in stetig steigender Frequenz Stimmen laut , die gegen Ironie und Relativismus poltern und selbst ausgewiesene Denker erklären sie zu einer Pose eleganter Haltungsschwäche und charakterloser Uneigentlichkeit. Dies deutet mir darauf hin, daß sich die Epoche der Postmoderne langsam verabschiedet oder wahrscheinlich schon mehr oder weniger unbemerkt verabschiedet hat.

 

Unter dieser Voraussetzung könnte die hier vorgestellte Arbeit – jedenfalls wünschte ich mir das – ein konservatives Bekenntnis zu dem nun angegriffenen Prinzip Ironie darstellen.

 

Ich möchte daher diesen ungeeigneten Platz nutzen, um auf meine letzten Tage eine Warnung auszusprechen. Die Ironie ist keineswegs nur ein billiger Vorwand sich auf elegante Weise einer Haltung zu enthalten oder das mühsame Eintreten für feste Werte zu ersparen, sondern (Achtung Ironie!) das tiefe Wissen um die Bedingtheit unseres Denkens und unserer Entscheidungen durch vielerlei kulturelle Einflüsse. Auch spielt wohl – die Hirnforschung weiß darüber einiges zu sagen - das in den ersten Lebensjahren erworbene, von uns nicht als erlernt erfahrene,.intrinsische Wissen eine bedeutende Rolle bei der Bildung unserer als Realität empfundenen Modelle der Außenwelt.

 

Die Ironie ist Ausdruck dieses ständigen Bewußtseins, daß andere Lebens- und Wertvorstellungen auch ihre Berechtigung haben könnten.

 

Wir haben uns einmal entschieden, uns der Welt zu öffnen und werden im kleinen wie im Großen, national wie global, auf längere Zeit damit leben müssen, daß Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund und unterschiedlichen festen Überzeugungen aufeinandertreffen werden. Ein friedliches Zusammenleben der Gesellschaften, Teilgesellschaften und auch Individuen wird nur möglich sein, wenn wir seine Regeln mit Respekt vor der bisweilen scheinbar völlig bescheuerten Weltsicht des anderen gemeinsam aushandeln.

 

Wähnen Sie nicht, meine Freunde, daß Sie dieser Herausforderung durch das Heraufbeschwören irgendeiner mythischen Leitkultur oder der Behauptung universell gültiger Werte (natürlich der eigenen) Herr werden könnten. Das eigene Interesse an einem friedlichen, selbstbestimmten Leben muß uns als Rechtfertigung ausreichen, es gegen Gewalt notfalls auch mit Gewalt zu verteidigen.

 

Werfen Sie nicht aufgrund eines obskuren Unbehagens oder aus Angst vor der scheinbar überlegenen Glaubenskraft anderer, die Errungenschaften der eigenen Zivilisation über Bord, zumindest nicht, ohne gründlich über neue Strategien und deren Konsequenzen nachgedacht zu haben.²

 

Die Ironie ist eine Haltung des Abstandnehmens von uns selbst, die es uns erlaubt, Widersprüche im Denken zu ertragen, und mit ihr, so wußte schon Friedrich Schlegel, ist durchaus nicht zu scherzen; ihr Gegenteil aber sind Fundamentalismus und Fanatismus!

 

Exkursende.

 

 

 

 

 

 

 

² Zur Vertiefung dieses Themas kann ich an dieser Stelle nur auf meine Streitschrift „ Neuer Realismus - die Pegida-Bewegung der Philosophie“ verweisen

 

 

 


Meditation über Volker Schildmanns „Sackgassen der introspektiven Hirnforschung Vol. XXIII – Besuch Conrad Ferdinand Meyers bei Nelson Mandela auf dem Hohenasperg“

von Dr. Evilman Schlonk

 

 

 

Bei dieser kleinen, in der Form etwas sperrig daherkommenden Arbeit scheint es mir die lohnendste Unternehmung, einige Aspekte auf der inhaltlichen Ebene anzusprechen. Zur Form nur soviel: Mit der Entscheidung, die Skulptur aus zwei separaten Figuren zusammenzusetzen, hat der Künstler sein bisheriges Konzept der äußeren Einheit bei völligem Auseinanderbrechen der Bedeutungszusammenhänge gelockert, was natürlich eine höhere Kongruenz von Form und Inhalt bedeutet, vielleicht aber auch gerade dadurch einen Verlust an innerer Spannung; ich habe diese Frage noch nicht entschieden.

 

Dagegen wäre die Deutung des frei im Raum stehenden Wandsegmentes als formale Illustration der im Titel erwähnten Sackgasse nach meinem Gefühl nicht mehr als die etwas weit hergeholte, euphemistische Interpretation eines gestalterischen Mißgriffs.

 

Ich möchte es daher lieber als nicht ganz ausgereiftes Experiment begreifen, für das wir hoffentlich in Zukunft noch glücklichere Lösungen geliefert bekommen werden.

 

Dafür ist diese Arbeit – daß uns des Lebens Freude doch nie ungemischt zuteil wird - geradezu exemplarisch für Volker Schildmanns Bildfindungsprogramm, nicht zuletzt, da er es im knappen Titel in schon fast geschwätziger Offenheit preisgibt: es geht um die Frage von Innen- und Außenwelt. Es werden zwei Personen zusammengebracht, die in der äußeren Realität weder in zeitlichem noch räumlichem Zusammenhang stehen. Dazu kommt , daß sich die Figur des Gefangenen unmöglich als Portrait des versprochenen Nelson Mandela identifizieren läßt; wir müssen uns also entscheiden, welcher Wahrheit wir folgen wollen, der im Titel suggerierten oder der vom Gips nahegelegten. Das alles wird in eine Szene eingebaut, die wir historisch und kunsthistorisch im Allgemeinen eher mit dem Protagonisten Schiller verbinden, dessen Besuch auf dem Hohenasperg bei C.D. Schubart bezeugt und verschiedentlich im Bild dargestellt worden ist.

 

Meine These geht dahin, daß uns diese Widersprüchlichkeiten in eine künstliche Verwirrung setzen sollen, die uns dafür öffnet, die Funktionsweisen künstlerisch bildlicher Darstellung zu reflektieren; nicht mehr dem einfachen Kommunikationsmodell von Sender und Empfänger aufzusitzen – „was will uns der Künstler sagen ?“ - , sondern uns - wie ich an dieser Stelle, wenn auch bruchstückhaft und in aller Kürze - grundsätzlich mit dem Verhältnis von Darstellung und Dargestelltem auseinanderzusetzen, oder die einzelnen Bestandteile mit Hilfe des eigenen kulturellen Wissensschatzes zu eigenen Deutungen zusammenzusetzen.  In jedem dieser kleinen Werke können wir so die irgendwann in der frühen Postmoderne statt gehabte Archae der Auferstehung des Rezipienten durch den Opfertod des Autors feiern.

 

Obgleich es nahe läge, möchte ich mit dieser österlichen Botschaft nicht schließen, sondern einige wenige Worte zum Verhältnis dieser wie anderer Arbeiten des Künstlers zum Surrealismus verlieren. Tatsächlich sind einige Parallelen zu konstatieren, wie etwa im vorliegenden Fall die - historisch betrachtete - Außerkraftsetzung von Zeit und Raum ,in anderen Arbeiten durchaus auch Eingriffe in biologische Wahrscheinlichkeiten unter Beibehaltung eines stilistischen Realismus. Hatten aber die von der seinerzeit topaktuellen freudianischen Lehre inspirierten Surrealisten die Hoffnung, eine Methode gefunden zu haben, dem Unbewußten auf die Spur zu kommen, um mit neuen, dem eigenen Inneren entlockten Werten eine bessere Welt schaffen zu können, spielt die vorliegende Arbeit doch eher mit der Frage nach dem grundsätzlichen Zusammenhang von innerer und äußerer Realität im bewußten Denken, in der Absicht aus diesem Spiel eine gefällige Figur hervorgehen zu lassen ( s. dazu meine einleitenden Bemerkungen), natürlich ohne Antworten zu geben oder gar Ambitionen auf Weltverbesserung zu entwickeln, wie sich ja überhaupt die Kunst in postmodernen Zeiten, was ihren Anspruch auf Wirkmächtigkeit angeht, auf einem permanenten Rückzug befindet.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 

 


Meditation über Volker Schildmanns „ Grundkurs Deutsche Geschichte - Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“

von Dr. Evilman Schlonk

 

Diese kleine Figur bietet uns, da sie uns durch gedanklichen Tiefgang nicht zu beeindrucken vermag, Gelegenheit, einige grundsätzliche Überlegungen zum Verhältnis der inhaltlichen oder sinngebenden zur formalen oder materiellen Ebene des Kunstwerks anzustellen.

 

Der Künstler Volker Schildmann sieht sich von Kritikern, die in ihrer Kunstauffassung dem Modernismus treu geblieben sind, gelegentlich dem Vorwurf allzu großer Literarizität ausgesetzt, ein Vorwurf, der bei der vorliegenden Arbeit ins Leere laufen müßte.

 

Wir sehen hier nicht viel mehr als die plastische Visualisierung eines berühmten, kraftvoll metaphorischen Buchtitels, die sich mit rudimentärsten Kenntnissen der Universal- und Kulturgeschichte leicht erschließt, kaum mehr also als einen geschnitzten Witz.

 

 

Auf der stilistischen Ebene bleibt sich der Künstler treu. Wir erkennen die uns vertraute naiv – realistische Figurauffassung, wie sie uns so oder ähnlich zu beinahe allen Zeiten in der Geschichte der Skulptur begegnen könnte - ein relativ hoher Aufwand für eine Botschaft, für die auch eine schnelle Strichzeichnung ausgereicht haben würde.

 

In einer Zeit zunehmender Virtualität, in der das Verfolgen von Kochvorführungen in Fernsehen und Internet und das Lesen von Kochbüchern die tatsächliche Zubereitung aufwändiger Mahlzeiten weitgehend abzulösen im Begriff ist, scheint mir die Präsentation einer solide durchgearbeiteten Plastik zumindest eine klare Entscheidung gegen einen Ansatz der Konzeptkunst oder ein auf das romantische Ideal des Genies rekurrierendes Verbleiben im Skizzenhaften, und für die Herstellung eines ästhetisch erlebbaren Gegenübers;

und bei aller persönlichen Sympathie für die Geringschätzung künstlerischer Bemühungen und allem Verständnis für Unterschiedlichkeit in der Geschmacksbildung, bitte ich zu bedenken, daß eine realistisch gearbeitete Figur mit zwei einigermaßen identifizierbaren Portraitköpfen keine absolute Kleinigkeit und ohne ein Mindestmaß an handwerklicher Einübung nicht zu bewältigen ist.

 

Da ihm nun offensichtlich die konventionelle Bildästhetik am Herzen liegt, er unter keinen Umständen davon ablassen mag, muß die dem postmodernen Künstler nicht auszutreibende Brechung, mit Hilfe derer er, dem Lyotard`schen Ruf zum Kreuzzug gegen das Gestaltganze Folge zu leisten,sich wappnet, auf anderer Ebene erfolgen, damit dem Allzuvertrauten noch irgendeine interessante neue Perspektive abgewonnen wird.

 

Also wendet er, inspiriert vom im Titel verwendeten Nietzschezitat, – wie immer – die altbewährte Montagetechnik an und baut aus Natur und Kultur entnommenen Versatzstücken eine absurde, schimärenartige Figur zusammen, die trotz stilistisch

einheitlicher Bearbeitung ihr inhaltliches Auseinanderfallen eher thematisiert als leugnet.

 

Wir müssen darin wohl eine Wiederkehr surrealistischer Denkweisen, wie sie uns zuletzt vermehrt in den verschiedensten Kunstgattungen begegnen, erkennen, eine Diagnose,die uns - da es ja auch zu ihrer Zeit die Surrealisten waren, die im Sturm der Abstraktion die Fahne der gegenständlichen Malerei hochgehalten haben - einmal mehr vor Augen führt, wie wenig wirklich Neues sich im Neuen verbirgt. Zu den Unterschieden zwischen modernem und postmodernem Surrealismus habe ich in meinen Gedanken zur Arbeit „Sackgassen der introspektiven Hirnforschung Vol. XXIII – Besuch Conrad Ferdinand Meyers bei Nelson Mandela auf dem Hohenasperg“ ein paar wenig aufschlußreiche Anmerkungen untergebracht. Hier daher nichts mehr davon!

 

 

 

 

 


Meditation über Volker Schildmanns „the turn of the screw“

 

 

 von Dr. Evilman Schlonk

 

Die kleine Gipsplastik stellt eine sitzende junge Frau vor, die mit der rechten Hand ihre Brust greift und mit dem Zeigefinger der linken noch einmal explizit auf dieselbe hinweist. Die pädagogisch anmutende Geste, in Verbindung zumal mit dem Schriftzug „ceci n' est pas une pomme“, läßt uns uns in ihr vielleicht eine Lehrerin vermuten, die dem Auftrag nachkommt, ihren Schülern grundlegende Begriffe der Anatomie zu vermitteln. Allein, bei genauerem Nachdenken kann uns diese erste Deutung nicht vollständig befriedigen, denn die in der Sache keineswegs unrichtige Belehrung ex negativo, es handele sich bei dem bezeichneten Objekt nicht um einen Apfel, kann bei vernünftiger Betrachtung kaum als einfache, einem Lehrplan folgende Instruktion, sondern wohl nur als Aufklärung eines vorausgegangenen oder befürchteten Mißverständnisses aufgefaßt werden.

 

An diesem Punkt lohnt es sich, wie ich meine, neu anzusetzen und sich dem Werk auf einer theoretischeren Ebene zu nähern, um die entwirrten Fäden dann vielleicht später zusammenführen zu können.

 

Der mit der Kunstgeschichte in groben Zügen vertraute Betrachter erkennt – wir müssen an dieser Stelle einmal mehr die Herrlichkeit eines kanonisierten Bildungswesens preisen – in dem französischen Untertitel gleich das Zitat des belgischen Surrealisten Rene Magritte , der diesen Text auf seinem 1964 entstandenen ebenso betitelten Gemälde als Kommentar zu einem entzückend und durchaus naturalistisch gemalten Apfel in die Kunstwelt eingebracht hat, wohl als Wiederaufnahme einer Idee, der er schon 1929 mit seinem Werk „La trahison des images“ mit der Textzeile „ceci n`est pas une pipe“ als Kommentar zur entsprechenden Abbildung Gestalt verliehen hatte.

 

Ungezählte, zum größten Teil äußerst scharfsinnige Anläufe sind seither unternommen worden, den tiefen Sinn dieser Werke an den Tag zu bringen und unübersehbar ist die Menge möglicher Bedeutungen, zumal sich Magritte als echter Künstler Interpretationen seiner Arbeiten stets vehement verweigert hat.

 

Allein, eine Lesart möchte ich doch wahrhaben, nämlich die naheliegende und vielleicht nur oberflächliche Deutung, derzufolge es sich bei dem, was wir betrachten, nicht, wie ja auch ausdrücklich gesagt, um einen Apfel, sondern vielmehr um das Bild eines Apfels handelt, ein Gedanke, der zur Entstehungszeit der trahison des images in der Luft lag, waren doch 1916 die Gedanken de Saussures über die Beziehungen von Zeichen und Bezeichnetem durch seine Schüler an die Öffentlichkeit gelangt, aus denen sich dann die Bewegung des Strukturalismus entwickelte.

 

Viel ist seitdem von großen Geistern über das Wesen der Zeichen nachgedacht worden. Auf dem Strukturalismus baute der Poststrukturalismus auf, der als philosophischer Überbau der Postmoderne gelten darf und in der Erkenntnis Jacques Derridas gipfelte, derzufolge sich Zeichen in erster Linie nicht auf die realen Dinge, sondern immer nur auf andere Zeichen beziehen.

 

Lag es da nicht nahe, dieser Entwicklung Rechnung zu tragen und dem postmodernen Trieb zum Zitat folgend – vielleicht sogar schon als Persiflage desselben - das Magritte`sche Vorbild durch eine weitere Drehung der Schraube fortzuführen? Nicht als Bild eines konkreten Gegenstandes wäre demnach unsere kleine Plastik aufzufassen, sondern als das Bild eines weiteren (sprachlichen) Bildes, nämlich Apfel als Metapher für die weibliche Brust. Die Unterschrift „ceci n`est pas une pomme“ ließe sich dabei sowohl innerhalb der Bildfiktion als auch, wie bei Magritte, mit Bezug auf die Realitätsebene des Betrachters lesen.

 

Doch wie es nun ungerecht wäre, Magritttes Bild auf eine strukturalistische Sicht zu reduzieren – wie Michel Foucault in seinen Gedanken zu la trahison herausgearbeitet hat, lädt es uns, zumal ein Bild mit künstlerischem Anspruch eben kein bloßes Zeichen ist, ein, über das Wesen des Gegenstandes und seines Bildes im Allgemeinen nachzudenken – so wäre es zu kurz gesprungen, „the turn of the screw“ allein als küchenphilosophischen Witz abzutun.

 

Betrachten wir in guter dekonstruktivistischer Tradition die Gegensätze und Widersprüche der Darstellung, so läßt sich, wenigstens meiner Überzeugung nach, ein Subtext herauslesen, der im Gegensatz von Strenge und Sinnlichkeit gründet. Da haben wir die zum Knoten gebundene Lehrerinnenfrisur, die doch die Fülle der Haare kaum zu bändigen vermag, die charakteristische Lehrerinnenbrille, die den im Grunde eher weichen Gesichtszügen mit den vollen Lippen die gewünschte erzieherische Strenge nur unzulänglich vermitteln kann, wie überhaupt die pädagogische Geste und die steife Sitzhaltung durch die eher barocke Körperlichkeit der Figur unterlaufen werden. Und müssen wir nicht zuletzt auch in der Entblößung der rechten Brust eine Freizügigkeit erblicken, die über das hinausgeht, was wir im Schulalltag mit Blick auf didaktische Erfordernisse erwarten würden?

 

Aus diesen Beobachtungen läßt sich, wie ich glauben möchte, eine selbstreferentielle Aussage der Figur ableiten, eine Art Bekenntnis zum eigentlich überwundenen Prinzip der Mimesis in der Kunst, dergestalt, daß in Analogie zum übergestülpten, zivilisatorisch freilich unbedingt erforderlichen pädagogischen Habitus der dargestellten Figur der aufgesetzte, theoretische Überbau des Werkes selbst nur als – letztlich natürlich unverzichtbarer – Vorwand zur ebenso simplen wie konservativen Freude am Figurenmachen zu verstehen ist. Die Arbeit thematisiert und entlarvt sich also selbst als abermaliger Versuch (unter unzähligen), die in der Moderne schon totgesagte Tradition der nachahmenden Bildnerei noch einmal kunstgängig zu machen.

 

Wir mögen nun nach unseren je eigenen Wertvorstellungen von dieser Strategie denken, wie wir wollen, ein Verdienst aber hat sich der Künstler erworben, für das wir Volker Schildmann alle dankbar sein sollten. Ich spreche von jener Askeseleistung, die darin besteht, der Versuchung , der besprochenen Figur eine zweite mit der Unterschrift „ceci n`est pas une pipe“ an die Seite zu stellen, - bisher - widerstanden zu haben.

 

 

 


Meditation über Volker Schildmanns „Vercingetorix erfleht von Caesar den Leichnam Hectors“

von Dr. Evilman Schlonk

 

Bei der Versenkung in diese kleine Skulptur kommen mir sofort zwei Texte in den Sinn, die vielleicht nicht zufällig beide der romantischen Epoche entstammen.

Da ist zum einen Friedrich Schlegels Athenaeumsfragment über die Unverständlichkeit, zum anderen Schillers Briefe zur ästhetischen Erziehung des Menschen.

Denn wie wir es bei den meisten Arbeiten dieses Künstlers beobachten können, werden auch hier Inhalte vermischt bzw. montageartig nebeneinander gestellt, die sich dem Versuch, dem Ganzen einen konsistenten Sinn zuzuordnen, hartnäckig widersetzen.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, wir sollen mit geradezu penetrant pädagogischem Impetus dazu gebracht werden, uns an den künstlich konstruierten Widersprüchen abzuarbeiten.

 

So haben wir es mit einer Vermischung von klassizistischer Bildhauerei und populärer Comicästhetik zu tun. Die Figuren sind offensichtlich den Asterix-Comics entliehen, jedoch ein wenig klassizistisch abgemildert, wobei die als Vercingetorix vorgestellte Figur eindeutig der Figur des Asterix ähnelt. Im Titel werden zwei in der Kunst des Klassizismus beliebte Szenen durcheinander gerührt, die jedenfalls historisch bzw. mythologisch wenig miteinander zu tun haben.

 

Nun fragt es sich, was mit all diesen Absurditäten bezweckt werden soll, und mein Verdacht ist dieser: Wie der große Schiller, der bekanntlich ein vehementer Verfechter des Freiheitsgedankens war, sich tief bekümmerte um die Unreife seiner Zeitgenossen im Umgang mit der Freiheit, die sie sich in der Revolution erkämpft hatten, und glaubte, sie zu dieser Reife erst durch das ästhetische Spiel, das hieß in seinem Fall durch die Auseinandersetzung mit dem Schönen, Wahren und Guten im Schauspiel, erziehen zu müssen, so laden uns die besprochenen Werke ein, uns für die Herausforderungen unserer Zeit im Spiel zu stärken.

Treibt aber den Romantiker die Sorge, die Tiefe des Erlebens durch die Aufdeckung aller Geheimnisse der Natur, wie sie sich die Aufklärung noch erhofft hatte, einzubüßen, so hat der postmoderne Mensch längst verinnerlicht, daß die Vernunft - nach wie vor unsere allerhöchste Kraft - doch nur bedingt zum Instrument der Welterkenntnis taugt, und je weiter die Wissenschaft in die Geheimnisse der Natur vordringt, desto mehr neue Wunder tun sich dem Verstand auf.

 

Beschreibt der Vertreter der klassischen Moderne die Absurdität des Daseins noch mit Grauen oder gemäßigtem existenzialistischem Optimismus, hat der Postmoderne dieselbe als gegebene Tatsache akzeptiert und begegnet ihr mit heiterem Pragmatismus: finden wir uns mit der Begrenztheit ab, behalten wir vorläufig - als reservatio mentalis - bei all unserem Denken und Handeln die Vorläufigkeit unserer Erkenntnisse und Überzeugungen im Hinterkopf und machen das beste bzw. schönste daraus - in diesem Geiste geschnitzt, so sehe ich es, spricht uns auch die vorliegende Plastik an.

 

Wenn ich aber von einem fast verzweifelten pädagogischen Anliegen und der spielerischen Ertüchtigung des Betrachters zur Bewältigung der anstehenden Herausforderungen gesprochen habe, so deswegen, weil die errungene Heiterkeit durch Bedrohungen von innen und außen gefährdet erscheint.

Während der Demokratiebegriff zur hohlen Floskel zu verkommen droht – sich Demokrat zu nennen ist heute in ähnlicher Weise verpflichtend wie es etwa vor fünfhundert Jahren verpflichtend war, Christ zu sein - unter deren Oberfläche sich bestehende Machtstrukturen verfestigt haben, wird das für unsere westlichen Gesellschaften vielleicht noch existenziellere Prinzip, der Pluralismus, das friedliche Nebeneinander auch unvereinbarer Lebensentwürfe unter dem Schutz der gemeinsam ausgehandelten Gesetze, offen in Frage gestellt.

Aus einer empfundenen Schwäche gegenüber Angriffen von außen, welche uns doch vornehmlich aus Gesellschaften heraus treffen, die uns eher als abschreckendes Beispiel vor Augen stehen sollten, entsteht ein Impuls zum Zusammenrücken, der dazu verleitet, die in den vergangenen Jahrzehnten errungenen Freiheiten hinzuwerfen, zugunsten einer auf Konstrukten wie Volk und Volkswille beruhenden, nur scheinbar konservativen Uniformität; wer glaubt nicht, leise zu vernehmen, wie  bei dem Geraune von der 1000jährigen jüdisch-christlichen Leitkultur ein homerisches Gelächter in den jüdischen Massengräbern vergangener Jahrhunderte anhebt?

 

Wir wissen noch nicht, in welcher Weise sich die gesellschaftlichen Veränderungen auf dem Gebiet der Ästhetik niederschlagen werden. Die vorliegende Arbeit ist sicher keine, die uns den Weg in die neue Zeit nach der Postmoderne weisen kann, sie gehört vielmehr zu einem Werk, das uns noch einmal die alte Unbeschwertheit vor Augen führt und uns vor die Frage stellt, ob wir tatsächlich gewillt sind, dies alles ohne weitere Abwägung hinzuwerfen.